Donnerstag, 18. April 2024

05.04.2016
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Unstatistik des Monats: Equal Pay Day

Unstatistik des Monats: Equal Pay Day
Die Unstatistik des letzten Monats war der sogenannte „Equal Pay Day“, dieses Jahr der 19. März. „Bis zu diesem Tag hätten Frauen hierzulande über den Jahreswechsel hinaus arbeiten müssen, um das Jahresgehalt ihrer männlichen Kollegen zu bekommen“ (Die Zeit vom 17. März 2016, Artikel „Männer wollen das doch auch“). Dieses Datum resultiert aus zwei Überlegungen. Erstens verdienten Frauen im Durchschnitt 22 Prozent weniger als Männer. Und wenn Frauen dann zweitens 22 Prozent länger arbeiteten als Männer, hätten sie am 19. März das Jahreseinkommen der Männer erreicht.

Beide Überlegungen sind falsch. In gegebenen Berufen verdienen Frauen nicht 22 Prozent, sondern um die 5 Prozent weniger als Männer. Das ist zwar gleichfalls ungerecht, aber weit weniger extrem. Die 22 Prozent resultieren vor allem daraus, dass Frauen häufiger in schlecht bezahlten Berufen und in Teilzeit arbeiten. Dieser Sachverhalt wird in vielen Medien irreführend dargestellt.

Aber auch wenn man die 22 Prozent Minderverdienst als korrekt akzeptiert, bleibt der Equal Pay Day falsch. Denn dann müssten Frauen nicht 22 Prozent, sondern 27 Prozent länger arbeiten, um das Einkommen der Männer zu erreichen. Und 27 Prozent der durchschnittlich 220 Arbeitstage eines Jahres erreicht man erst am 4. April (bei zwei Urlaubstagen pro Monat). Darauf hat die Deutsche Mathematiker-Vereinigung (DMV) bereits vor Jahren hingewiesen, aber anscheinend ist dieser Fehler nicht auszurotten. Um ein extremes Beispiel zu nehmen: Wenn ein Mann 100 Euro am Tag verdient und eine Frau nur 50 Euro, dann muss die Frau nicht einen halben, sondern einen ganzen Tag länger arbeiten, um auf den gleichen Verdienst zu kommen.

Welches Datum ergibt sich also ohne die beiden Fehler? Bei 5 Prozent weniger Verdienst fällt der Equal Pay Day 2016 auf den 20. Januar, den Todestag der amerikanischen Schauspielerin Audrey Hepburn. Bis dahin hätte Frau Hepburn aber wohl schon mehr verdient als der durchschnittliche amerikanische Mann im ganzen Jahr…

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de.

Kommentare  

#1 Klugscheißen will gelernt seinHinterfragerin 2016-04-05 20:53
"Die 22 Prozent resultieren vor allem daraus, dass Frauen häufiger in schlecht bezahlten Berufen und in Teilzeit arbeiten." Umgekehrt wird ein Schuh draus. Berufe, in denen vorwiegend Frauen arbeiten, werden schlechter bezahlt. Hinzu kommt dann noch, dass Frauen auch seltener befödert werden. Die Frauenquote wird daran nichts ändern. Chauvinistische Artikel aber auch nicht.
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