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14.09.2016
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Krise der Liberalen - Im Wohlfahrtsstaat sind alle wie auf Droge

Krise der Liberalen - Im Wohlfahrtsstaat sind alle wie auf D...
Trotz der Krise der Altparteien, die auch eine Folge der Bevormundungspolitik ist, spricht niemand von der FDP, stellt Alexander Grau fest.

Es war kein gutes Wahlergebnis für die ehemals großen Parteien vergangene Woche im Nordosten. Und dass es nächste Woche in Berlin wesentlich besser werden wird, glauben selbst eingefleischte Optimisten nicht.

Keiner redet über die FDP

Also reden alle vom Niedergang der CDU, der Selbsthypnose der SPD, die ihre Niederlage als Sieg verkauft, vom Abstieg der Linken, den verzagten Grünen – und natürlich von der AfD. Nur von den Freien Demokraten spricht niemand.

Gut, könnte man sagen, weder Mecklenburg-Vorpommern noch Berlin gelten wirklich als Stammländer der Liberalen. Allerdings: Waren die Wahlergebnisse vom März, im Südwesten der Republik, aus liberaler Sicht so viel berauschender? Zwar sitzt die FDP in Stuttgart und in Mainz im Landtag. Doch darüber hinaus? Aufbruchsstimmung? Eine liberaler Sturm, der durch das Land fegt? Eine Bürgerbewegung, die sich dem übergriffigen Gestaltungswahn des Staates entgegenstellt? Nicht wirklich, im Gegenteil.

Voraussetzungen für die Lieberalen wären gut

Dass die FDP „durch“ ist und ihr Wiedereinzug in den nächsten Bundestag nur noch Formsache, wird selbst Christian Lindner kaum behaupten. Dabei ist die Ausgangssituation für die Liberalen auf den ersten Blick ausgezeichnet: Im Bund regiert eine selbstzerstörerische große Koalition, deren größter gemeinsamer Nenner der Ruf nach noch mehr Staat ist – aus Gründen der inneren Sicherheit, der sozialen Gerechtigkeit oder um irgendwelche gesellschaftspolitischen Ziele durchzudrücken.

Auch das leidige Flüchtlingsthema müsste den Freien Demokraten eigentlich zugutekommen. Denn was die Bundesregierung auf der Höhe der Krise lieferte, schrammte hart am Rande des Rechtsbruchs entlang. Ein gefundenes Fressen für Vertreter der Rechtsstaatlichkeit, könnte man meinen. Doch von der allgemeinen Verdrossenheit profitiert nicht die FDP, sondern die AfD, die sich von ihren liberalen Wurzeln allerdings entfernt hat.

Ergebnis: In den deutschen Parlamenten regiert eine Einheitsfront von Sozialdemokraten, deren gesellschaftliche Vorstellungen sich bestenfalls hinsichtlich der politischen Folklore unterscheiden. Einig ist man sich jedoch darin, dass dem Staat bei der Durchsetzung der jeweiligen Ziele eine herausragende Bedeutung zukommt. Es ist eine Allparteienkoalition der Etatisten.

Das Kollektiv steht im Mittelpunkt

Lediglich hinsichtlich der Reichweite sozialstaatlicher Beglückung bestehen Differenzen in der etatistischen Gesamtkoalition. Möchte die AfD die sozialstaatlichen Segnungen im Wesentlichen auf Bio-Deutsche reduziert sehen, kokettiert der Rest des Parteienspektrums mit einer Erweiterung des deutschen Wohlfahrtsstaates auf möglichst viele Schwache, Beladene und Hilfsbedürftige.

Gerechtfertigt wird diese Verteilungs- und Interventionspolitik dementsprechend durch die Konstruktion eines zu beglückenden Kollektivs, das – ganz nach jeweiliger Vorliebe – vom deutschen Volk über Europa bis hin zur ganzen Menschheit reicht. Die Idee, dass im Mittelpunkt der Politik kein Kollektiv stehen sollte, sondern die Autonomie und Freiheit des Individuums, gilt parteiübergreifend als verpönt.

Nein, um den Liberalismus steht es Anfang des 21. Jahrhunderts in Deutschland nicht gut. Dafür hat der allzuständige Staat in den vergangenen Jahrzehnten zu viele Abhängigkeiten geschaffen und sich zu viele Profiteure herangezogen: vom Banker in seinem hoch subventionierten Finanzinstitut bis zur Familie mit ihren Kitaplätzen.

Schluss mit dem Sozialstaat

Wohlstand macht die Menschen nicht freier und unabhängiger, sondern bequemer. Man richtet sich in seinem goldenen Käfig ein und beklagt Ungerechtigkeiten, wenn ein anderes Subventionsmilieu scheinbar etwas mehr vom Kuchen abbekommt als das eigene. Der Etatismus selbst wird nicht infrage gestellt.

Insofern sind die Wahlergebnisse der FDP ein Spiegel des Zeitgeistes. Wenn nicht alles täuscht, hat der politische Liberalismus auf absehbare Zeit ausgedient. Obwohl er dringend benötigt wird.

Doch in den Sozialstaaten des frühen 21. Jahrhunderts hat sich eine Subventionsmentalität breit gemacht, die das Denken und Handeln vergiftet. Die Menschen sind wie auf Droge. Das einzige Mittel dagegen wäre ein kalter Entzug. Der jedoch wird nicht freiwillig erfolgen, sondern erst, wenn der Staat sozialdemokratischer Prägung endgültig und für alle spürbar am Ende ist.

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Im Dezember 2014 erschien der von ihm herausgegebene Band „Religion. Facetten eines umstrittenen Begriffs“ bei der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig. Dieser Text ertschien zuerst am 10.September 2016 in der Cicero Online-Kolumne "Grauzone".

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