10.11.2016
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Klimaschutz? Hat sich erledigt…

Klimaschutz? Hat sich erledigt…
Die Klimahysterie ist am Ende, sagt Peter Heller.

Barbara Hendricks reitet ein totes Pferd. Schon, als die Bundesumweltministerin im vergangenen Jahr voller Enthusiasmus nach Paris aufbrach, um das im Nachhinein als „historischen Durchbruch“ verklärte Klimaabkommen mitzuverhandeln, hätte sie es merken können. Denn keiner ihrer Kabinettskollegen, geschweige denn die Kanzlerin, hat sie begleitet. Auch die Verkündung der Ergebnisse in der Bundespressekonferenz blieb ihr allein überlassen. Dessen ungeachtet machte sie sich unverdrossen ans Werk, ein ambitioniertes Klimaschutzprogramm für Deutschland aufzustellen. Mit dem sie eigentlich in der kommenden Woche zur Weltklimakonferenz nach Marrakesch aufbrechen wollte, um Deutschlands Vorreiterrolle zu unterstreichen. Leider aber machten ihr sowohl das Kanzleramt, als auch die Ressorts für Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft einen dicken Strich durch die Rechnung. Noch immer findet ihr „Klimaschutzplan 2050“ vor den Augen der Kabinettskollegen keine Gnade, obwohl sie doch schon so viele Abstriche vorgenommen und nahezu alle konkreten Zielvorgaben gestrichen hat. Wann das Papier mit welchen Inhalten beschlossen wird, bleibt weiterhin offen. Aber mehr als eine allgemeingehaltene Erklärung von Absichten wird wohl nicht übrig bleiben. Selten war eine Umweltministerin in der Regierung stärker isoliert als heute. Barbara Hendricks hat schlicht den Fehler gemacht, das Pariser Abkommen wirklich ernst zu nehmen.

Auf zwei Grad, besser noch 1,5, soll diesem Weltklimavertrag zufolge die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 begrenzt werden. Wie man das sicherstellt, ist allerdings nicht näher beschrieben. Denn ob das Ziel eingehalten wird, vermag eigentlich nur ein Blick auf die Thermometer in 2100 zu klären und ein solcher ist jetzt und in den kommenden Jahren aus naheliegenden Gründen völlig unmöglich. Die Zeitmaschine wird daher ersetzt durch Klimamodelle. Die aber wiederum hohen Unsicherheiten unterworfen sind. Zunächst hängen ihre Ergebnisse empfindlich von den einzugebenden Anfangsbedingungen ab, die natürlich nur innerhalb einer gewissen Bandbreite bekannt sind. Dann können viele Vorgänge im Klimasystem, beispielsweise die Dynamik der großen ozeanischen Strömungssysteme, die Wolkenbildung und deren Effekte, Landnutzungsänderungen, weitere Veränderungen in der Biosphäre und auch die künftige Entwicklung der solaren Aktivität nicht genau vorherberechnet, sondern nur sinnvoll abgeschätzt werden. Außerdem sind diese Simulationsrechnungen mit sozioökonomischen Szenarien zu füttern, denen sich Umfang und zeitlicher Verlauf der anthropogenen Treibhausgasemissionen entnehmen lassen.

Entsprechend variieren auch die Ergebnisse der Klimamodelle erheblich. Das Zwei-Grad-Ziel ist daher eine Wahrscheinlichkeitsaussage über diese Berechnungen. In der Wissenschaft gilt es als erreicht, wenn mindestens 66% aller zugrundegelegten Modellläufe für die verwendeten Emissionsszenarien dieses Limit bis 2100 nicht überschreiten. Welche Klimamodelle genau herangezogen werden (es gibt mittlerweile einige Dutzend, weltweit verteilt auf Großrechner in verschiedenen Forschungseinrichtungen), von welchen Emissionsszenarien man ausgeht (auch hier eine mittlerweile kaum überschaubare Vielfalt) und vor allem, welche Eintrittswahrscheinlichkeit man wünscht, hätte eigentlich die Politik zu entscheiden. Da man diese Zusammenhänge dort nur unzureichend versteht, gibt es keine entsprechenden Vorgaben.

In ihrer neuen, am 3.11. nur wenige Tage vor Marrakesch veröffentlichten Studie, hat die Umweltbehörde der Vereinten Nationen (UNEP – United Nations Environmental Program) daher auf Basis von zehn Szenarien, vier Klimamodellen und eben der 66%-Grenze kalkuliert, wie groß das gesamte noch zur Verfügung stehende weltweite Budget an Kohlendioxid-Emissionen ist, will man die zwei Grad nicht reißen. Es beträgt 553 Gigatonnen. Im Jahr 2015 wurden 36,2 Gigatonnen in die Atmosphäre geblasen. Selbst wenn es gelingt, die Emissionen auf diesem Niveau einzufrieren, verblieben der Menschheit also nur noch fünfzehn Jahre. Danach wäre der Verbrauch fossiler Energierohstoffe auf null zu senken, weltweit und sofort. Steigen die Emissionen weiter wie in den letzten Jahren an, verkürzt sich die verbleibende Zeitspanne für die vollständige Dekarbonisierung weiter. Das ist der Hintergrund der Forderung der Grünen, die Neuzulassung von Verbrennungsmotoren bei PKW ab 2030 zu verbieten. Was natürlich bei weitem nicht ausreichen würde. Auch der Bestand müsste stillgelegt werden – und das im gesamten Automobilverkehr, eingeschlossen beispielsweise Busse und Lastkraftwagen. Eisenbahnen, Schiffe und Flugzeuge hätten ohne Diesel oder Kerosin auszukommen. Die Erdgasheizung wäre Geschichte, die Stromproduktion aus Kohle ebenfalls. Stahl, Zement, Keramik, Glas und viele Kunststoffe könnten nicht mehr hergestellt werden. Der gesamte Konsum hätte „klimaneutral“ zu erfolgen, ab 2030 müssten alle Menschen Vegetarier werden. Um gemäß der Klimasimulationen zumindest mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% unter 1,5 Grad zu bleiben, dürfte man gar nur noch 217 Gigatonnen Kohlendioxid produzieren. Der vollständige, weltweite Rückfall ins Mittelalter wäre dann bis 2022 zu vollziehen.

Eine solche Politik ist natürlich nicht durchsetzbar, weder global, noch in einzelnen Ländern. Regierungen, die das Pariser Abkommen ernsthaft erfüllen wollen, könnten sich kaum lange an der Macht halten (außer vielleicht in Venezuela oder Nordkorea). Das weiß die Bundesregierung ganz genau. Mit der Einleitung, ja schon mit der ernsthaften Vorbereitung der oben geschilderten Maßnahmen, die übrigens in den ersten Entwürfen des Klimaschutzplans tatsächlich auftauchten, gäbe man den politischen Gegnern weit größere Mobilisierungsoptionen, als durch die konzeptionslose Flüchtlingspolitik. Nur Barbara Hendricks hat das noch nicht verstanden. Deswegen scheitert sie fortwährend.

Die Botschaft des aktuellen UNEP-Reports ist klar. Wenn tatsächlich mit einer Erwärmung von zwei Grad im weltweiten Mittel apokalyptische Folgen verbunden sind und wenn die Klimamodelle wirklich stimmen, dann ist die Klimakatastrophe durch keine Macht der Welt mehr aufzuhalten. Also kann man die Klimaschutzpolitik in der gegenwärtigen Form, in der sie sich auf die Reduzierung und Vermeidung von Emissionen konzentriert, auch lassen. Diese einfache Wahrheit nach Jahrzehnten der Propaganda einzuräumen, wäre aber politisch mindestens ebenso vernichtend, wie eine umfassende Dekarbonisierung. Daher öffnet die UNEP den Regierungen einen Fluchtweg: Wir machen einfach so weiter wie bisher, mit Appellen, Papieren, Verhandlungen und der ein oder anderen eher symbolischen Maßnahme, und verschieben die Lösung auf die nachkommende Generation. Die dann ab 2050 gezwungen sein wird, Kohlendioxid in großem Maßstab wieder aus der Atmosphäre zu entfernen. Mit Technologien und Verfahren, die es noch gar nicht gibt. Nur diese sogenannten „negativen Emissionen“ schützen das Pariser Abkommen vor dem Papierkorb. Der Glaube, auf diese Weise die Steuerzahler zur weiteren Alimentierung der Klimaschutzindustrie motivieren zu können, beweist einmal mehr den Mangel an Respekt, den Regierungen und Verwaltungen den Bürgern entgegenbringen. Klimaschutz ist entweder nutzlos, weil die Natur doch macht, was sie will, oder er ist gefährlich, weil die Dekarbonisierung die Menschen in Armut und Verwundbarkeit stürzt, oder er ist sinnlos, weil die gesteckten Ziele nicht erreichbar sind. Für letzteres gibt es nun eine offizielle Bestätigung von höchster Stelle.

Peter Heller ist Astronom und Physiker. Nach Stationen in der Software- und Raumfahrtindustrie ist er heute als Strategieberater, Zukunftsforscher und Trendscout tätig. Beruflich beschäftigt er sich dabei vorwiegend mit allen Aspekten rund um das Thema „Mobilität“. Bei Science Skeptical, wo dieser Artikel zuerst am 7. November 2016 erschien, widmet er sich vorwiegend Fragen der Klimapolitik. Dabei ist seine Kernauffassung, daß eine Strategie der Vermeidung von Kohlendioxid-Emissionen mehr schadet als nutzt und sich außerdem nicht aus dem gegenwärtigen Kenntnisstand der Klimaforschung ableiten lässt.