Donnerstag, 28. März 2024

18.08.2016
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Gotteskrieger made in Germany

Gotteskrieger made in Germany
Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden hatte etwa ein Viertel der 760 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland, die bis Ende 2015 in Richtung Syrien/Irak ausreisten, die türkische Staatsbürgerschaft oder war „türkischstämmig“, konstatiert das Bundesinnenministerium auf Anfrage der Linksfraktion im Bundestag.  Nun werden wieder allenthalben der Anteil der Türken oder türkischstämmigen Menschen an der Gesamtheit der Gotteskrieger made in Germany thematisiert. Gleichzeitig werden so die hier lebenden Türken mehr oder weniger indirekt als tickende islamistische Zeitbombem diffamiert.

Tatsächlich bin ich eher überrascht darüber, wie niedrig der Anteil der Dschihadisten mit türkischem Background ist. Die Zahlen des Bundesinnenministeriums bedeuten nämlich, dass drei von vier aus Deutschland nach Syrien ausgereisten Gotteskriegern mit der Türkei gar nichts am Hut haben und sich also hierzulande bestens ohne Erdogan radikalisieren konnten. Offensichtlich gibt es also weitaus gewichtigere Ursachen für die Radikalisierung als die türkische Staatsbürgerschaft oder türkische Wurzeln.

Einmal mehr wird deutlich, dass die Radikalisierung von Jugendlichen weitaus mehr mit unserer Gesellschaft zu tun hat, als gemeinhin angenommen wird. Diese Radikalisierung ist, wenn sie als perverse Form jugendlicher Protestkultur entsteht, sogar ein direkter Affront gegen diese traditionellen türkischen Wurzeln, gegen die als bieder und angepasst kritisierte Elterngeneration.

Man macht es sich zu einfach, wenn man den nihilistischen Terrorismus mit islamistischem Branding einfach zu einem Importproblem erklärt. Denn tatsächlich sind sind in den letzten zwei Jahren aus Deutschland mehr Terroristen mit Ziel Syrien Syrien ausgereist als ihnen von dort entgegenkamen. Wir sollten endlich beginnen, darüber nachzudenken, was unsere hiesige Misstrauens- und Misanthropiekultur mit dem barbarischen Terror zu tun hat, der sich unter der Terrormarke "IS" unserer paranoiden Aufmerksamkeit erfreut.


Matthias Heitmann ist Redakteur der BFT Bürgerzeitung. Mehr zu den Ursachen der Radikalisierung findet sich in seinem Artikel "Hausgemachter Terrorismus". Er ist Ende 2014 im Magazin Schweizer Monat erschienen, hat aber von seiner Aktualität nichts eingebüßt. Heitmanns eigene Website findet sich unter www.zeitgeisterjagd.de.


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