25.07.2016
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Killerspiele, Killeräste und Thomas de Maizière

Killerspiele, Killeräste und Thomas de Maizière
Gideon Böss über den Unsinn reflexartiger politischer Reaktionen.

Thomas de Maizière wärmt nach dem Amoklauf von München die Debatte über Killerspiele wieder auf. Anlass ist die Tatsache, dass der Täter solche Spiele auf seinem PC hatte. Dass die praktisch jeder Mensch besitzt, der noch nicht auf der Welt war, als Neil Armstrong den Mond betrat, bringt den Innenminister dabei nicht aus der Ruhe. Wenn sie jeder hat, haben sie schließlich auch alle(!) Täter. Da sprechen doch die Zahlen für sich.

Immerhin werden in Killerspielen Menschen getötet, deswegen heißen sie ja auch so. (Gut, genau genommen heißen sie nicht Killerspiele, sondern werde von Politikern so genannt, die in diesem Fall mal keinen Wert auf sensible Sprache legen.) Dass die Jugend durch solche Spiele eine besondere Begeisterung für Waffen, Krieg und Gewalt entwickeln, sieht man ja eindeutig daran, dass die Bundeswehr den Ansturm junger Freiwilliger kaum bewältigen kann. Es sind einfach zu viele, die unbedingt eine Waffe in der Hand halten wollen. So wie Deutschlands Jugend überhaupt total verroht ist, was auch die Shell-Jugendstudie bestätigt, laut der jungen Leuten Familie und Freunde am Wichtigsten sind. („Und Killerspiele – um so das Töten zu erlernen“, hat de Maizière in seiner Ausgabe der Shell-Jugendstudie noch handschriftlich hinzugefügt.)

Überhaupt wäre die Menschheitsgeschichte längst nicht so blutig verlaufen, wenn Killerspiele und ihre primitiven Vorläufer nicht gewesen wären. Kinder und Jugendliche spielten über Jahrtausende mit „Killerästen“, die sie im Wald fanden. Mit denen tobten sie herum und bildeten sich ein, dass sie tapfere Krieger wären. Die Folgen sind bekannt: von Alexander dem Großen über Julius Caesar bis zu Napoleon, Hitler und Mao haben sie alle mit Killerästen gespielt. Die Sache ist eindeutig! Man hätte schon viel früher über ein Verbot von Wäldern diskutieren müssen.

Nur eine Sache scheint keine Auswirkungen auf Killer zu haben: religiöse Bücher – und da ganz speziell die, auf die sie sich selbst berufen. Als zwei Islamisten 2015 in Paris eine komplette Zeitungsredaktion hinrichtete, stellte Killerismus-Experte de Maizière sofort fest: „Terroristische Anschläge habe nichts mit dem Islam zu tun.“ Klare Ansage, da können die Terroristen sich noch so oft auf ihr heiliges Buch beziehen, vor de Maizière kommen sie damit nicht durch. Hätten sie sich hingegen auf das Spiel Counterstrike berufen, gäbe es ein Tatmotiv. So einfach ist es manchmal.

Und auch in der Bibel finden sich ja Aufrufe zu gottgewollten ethnischen Säuberungen und Völkermorden, ohne dass das den Innenminister beunruhigt. In einem Buch, das in vielen deutschen Wohnungen liegt, das Kindern schon in der Schule nahegebracht und von Millionen Erwachsenen sehr ernst genommen wird. Trotzdem spricht de Maizière nicht von einem „Killerbuch“. So wie er es auch nicht beim Koran macht. Denn er weiß, dass die Terroristen eigentlich nicht religiös verblendet sind, sondern einfach nur zu viele LAN-Partys hinter sich haben. Da drehste einfach irgendwann durch. Ist so. Weiß der Innenminister selbst am besten, versackt ja oft genug auf solchen Events.

Gut jedenfalls, dass er zu unterscheiden weiß zwischen gefährlichen Computerspielen einerseits und ungefährlichem religiösen Wahn andererseits. Wirklich explosiv wird es immer erst, wenn Killerspiele hinzukommen. Wenn man die verbieten könnte, wäre die Welt endlich wieder ein friedlicher Ort. So wie früher, als es noch keine Killerspiele gab. Und keine Depressionen. Und generell keine psychischen Erkrankungen.


Gideon Böss veröffentlichte zuletzt das Buch „Deutschland, deine Götter – Eine Reise zu Tempeln, Kirchen, Hexenhäusern“. Dieser Text ist am 24.7.16 zuerst in seinem Blog "Böss in Berlin" erschienen.