02.06.2016
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Gauland und Boateng: Armutszeugnis für die Medien

Gauland und Boateng: Armutszeugnis für die Medien
Die Kollegen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung haben einen allzu billigen Effekt vor die Seriosität gesetzt, und keiner hat’s gemerkt. Von Ulli Kulke

Alexander Gauland gehört zu den Politikern der AfD, die mit ihrer völkischen Tour nerven, und ich bin mir nicht sicher, ob ich mit dem Grantler Tür an Tür wohnen möchte. Trotzdem wird die Skandalisierung seiner neuesten Aussage ihm in keiner Weise gerecht. „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ Dieser Satz, den er gesagt haben soll, ist für sich genommen einfach nicht zu inkriminieren. Null. Er ist im Grunde genommen eine Banalität, eine Feststellung, die hierzulande alle Rassismuskritiker ohne mit der Wimper zu zucken, unterschreiben würden, und kein Mensch hätte es gemerkt.

Ist es denn so weit weg von der Denke vieler Linker, der Fraktion „Nie wieder Deutschland“ oder auch dem einen oder anderen Linken, die da lautet: „Zum Tore schießen für den Lieblingsverein sind sie gut, aber sonst wollen die Deutschen mit den Afrikanern hierzulande nichts zu tun haben.“ (Boateng ist kein Afrikaner, er ist Deutscher, aber das ist für die Beurteilung des Disputs um Gauland/Faz nebensächlich). Gut, eingestanden, ich kann diesen Satz aus dieser Ecke nirgendwo belegen, aber jeder mag dennoch für sich selbst prüfen, ob es einen solchen Aufschrei wie jetzt gegeben hätte, wenn er denn aus der anderen politischen Ecke gekommen wäre. Und er würde dorthin nur allzu gut passen.

Natürlich, Gauland denkt anders, man könnte diese von ihm angesprochenen Ressentiments, wenn man will, auch bei ihm verorten, vielleicht stimmt sie auch gar nicht. Genau, und deshalb hätte diese seine Aussage spannend sein können – wenn die beiden Faz-Journalisten ihre Aufgabe ernst genommen hätten, und nicht nur sofort an die nächstbeste Schlagzeile, Klickzahlen, Ruhm und das Kreuzchen auf ihrer Pistole für einen zur Strecke gebrachten AfD-ler gedacht hätten.

Nach dieser Aussage Gaulands, zu der sie ihn ja offenbar gelockt hatten – hätte die Geschichte doch erst angefangen. In der Weise etwa: Bitteschön, Herr Gauland: Was heißt das? Finden Sie die von ihnen geschilderte Bigotterie denn okay? Wollen sie dagegen arbeiten, Vorbehalte ausräumen? Oder – diese Frage wäre nun wirklich das Allernaheliegendste gewesen – gehören Sie selbst zu diesen „Leuten“, wollen sie die Leute vor dieser Nachbarschaft befreien? Warum wollen die „Leute“ Boateng nicht als Nachbarn haben? Wer sind „die Leute“, von denen Sie sprechen.

Ohne diese Anschlussfragen ist der Vorhalt gegen Gauland ein Nullvorhalt, die Aussage Gaulands ist eine selten armselige Trophäe der beiden FAS-Journalisten. Genau ihr Unterlassen belegt wieder einmal die Hysterie, mit der hierzu alles und jedes für gut befinden wird, wenn es nur gegen die rechte Partei geht, und sei es auch noch so oberflächlich, ungeprüft und unhinterfragt. Das Schlimme: So gut wie alle übrigen Medien stiegen – wieder mal – darauf ein, ohne auch nur einmal den Charakter des mit Gauland in Verbindung gebrachten Satzes zu überprüfen.

Hintergrundgespräche Journalisten-Politiker haben ihre eigene Dramaturgie und ihren eigenen Zweck. Sie dienen zur Erfassung eines Hintergrundes, geben die Chance, in die Tiefe zu gehen, das Denken der Politiker aus mehreren Dimensionen zu hinterfragen, nachzuhaken, hier und da auch „unter drei“, also mit dem Einverständnis des dezenten Umgangs, um den Lesern und Hörern der Medien glaubhaft die Personen und ihre Meinungen näher zu bringen.

Was haben die beiden Kollegen der FAS gemacht? Sie haben offenbar auf jede Nachfrage verzichtet, oder – noch schlimmer – etwaige Antworten darauf verschwiegen. Und ihnen ist nichts billigeres eingefallen, als durch die Nachbarschaft von Boateng zu ziehen, um zu fragen, wie sie ihn als Nachbar finden. Ha, ha ha! Sie haben eine Nullaussage aus so einem „Hintergrundgespräch“, die ein wenig nach Skandal riechen könnte, billig auf ihre Fahnen geheftet und sind damit sofort laut posaunend (auf der Titelseite der FAS) durch die Republik getobt. Das schlimme: Sie haben von dem Teil der Öffentlichkeit, auf die sie gesetzt haben, nur lauten Beifall bekommen, der bis heute noch nachdröhnt. Dass sie damit der AfD geschadet hätten, wage ich sehr zu bezweifeln. Aber darauf kam es ihnen – das ist meine Überzeugung – auch zu allerletzt an.

Dieser Artikel ist zuerst am 31. Mai 2016 auf Ulli Kulkes Blog "Donner und Doria" erschienen.