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20.04.2016
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Etwas Gutes über Heiko Maas: Er wäre ein toller Geheimagent

Etwas Gutes über Heiko Maas: Er wäre ein toller Geheimagent
Ich kann mir Heiko Maas schon sehr gut als so etwas wie die deutsche Sparversion von James Bond vorstellen. Er macht ebenfalls eine gute Figur in Anzügen und ist dafür ja sogar ausgezeichnet worden. Und er behält auch in unangenehmen Situationen die Nerven. Zwar kommt es bei ihm nicht vor, dass muskelbepackte Globalschurken ihn töten wollen, während er an Tische oder Stühle gefesselt ist, aber immerhin wurde sein Pressesprecher von Anne Will mal in einer laufenden Sendung ermahnt, nun doch bitte mit diesem jubelperserhaften Applaus aufzuhören, kaum dass sein Chef einen Satz zu Ende gesprochen hat. Maas überlächelte die eigentlich furchtbar peinliche Situation ganz cool. Das hatte Stil.

James Bond rettet die Welt, das ist klar. Also wird Heiko Maas dafür nicht mehr gebraucht und wäre die Schrumpfversion dieses Helden, der sich eben eine Nummer kleiner erst um das Saarland und dann ganz Deutschland kümmert. Aber er ist eben nicht im Dienste ihre Majestät unterwegs, sondern vereidigter Justizminister unter Angela Merkel. Und den Job interpretiert er sehr eigen. Nach den islamistischen Anschlägen in Paris stellte er erst einmal – wie es jeder gute Jurist tun würde – fest, dass der Islam mit diesen Blutbädern schon mal nichts zu tun hat, bevor er dann, nach dieser Einschränkung, darum bat, die Ergebnisse der Untersuchungen abzuwarten. In der Zwischenzeit besuchte er aus Solidarität eine Moschee, obwohl die Anwesenheit in einer Synagoge irgendwie naheliegender gewesen wäre, schließlich galt einer der Terroranschläge gezielt einem jüdischen Lebensmittelladen.

Maas tat sich auch sehr dabei hervor, die zornigen Mauerverlierer von Pegida durch rhetorische Großattacken wichtiger zu machen als sie es sind. Auch die AfD griff er auf eine Art an, wie sie einem SPD-Generalsekretär zusteht, aber eigentlich nicht dem Justizminister. Wobei das alles entschuldigt ist, schließlich handelte es sich bei den zum Teil mehrmals wöchentlich abgefeuerten Salven in die Pegida-AfD-Richtung ja auch um Ersatzhandlungen. Denn eigentlich hätte er die ganze Zeit über guten Grund gehabt, auch mal ein kritisches Wort an seine Chefin zu richten, die in ihrem wilden Herbst 2015 nicht mehr so viel Wert auf Gesetze und Paragrafen legte, wenn diese ihr im Weg standen. Justizminister Maas gelang die erstaunliche Leistung, Merkels hütchenspielereihaftes Verhältnis zu Recht und Gesetz kein einziges Mal kritisch anzusprechen.

Und nun hat er ein neues Projekt und will, auch als Reaktion auf die sexuellen Übergriffe von Köln, sexistische Werbung verbieten lassen. Dieser Plan erinnert an die Vorstöße, „Killerspiele“ vom Markt zu nehmen, um damit auf Amokläufe an deutschen Schulen zu reagieren. Dabei waren „Killerspiele“ nie ein Puzzleteil dessen, was Schüler zu Killern machte. Das wusste man damals, das weiß man heute, aber es war halt so verlockend, die „Killerspiele“ zu dämonisieren. Das klang gut, das klang beruhigend.

Ein paar Jahre später nun sind die Killerspiele von sexualisierter Werbung abgelöst worden. Also Werbung, die versucht, mit lasziver Menschenhaut (fast immer weiblicher) Aufmerksamkeit zu erzeugen. Maas findet nun, dass Übergriffe wie in Köln offenbar etwas mit freizügigen Frauen in Bierwerbung zu tun haben. Dass also Frauen eher Opfer sexueller Übergriffe werden, umso mehr Oben-ohne-Werbung es gibt. Eigentlich spricht exakt alles gegen diese Annahme, aber das stört Maas nicht.

Die heutigen westlichen Gesellschaften haben einen Grad an Gleichberechtigung erreicht, der beispiellos in der Geschichte ist. Und das nicht trotz, sondern auch wegen der Möglichkeit, solche Werbung zu schalten. Männer und Frauen können heute auf eine Weise offen und unverkrampft miteinander umgehen, wie es das noch nie gab. Und wenn man bedenkt, dass noch vor wenigen Jahrzehnten ein nackter Frauenfuß im Film für eine Empörung sorgte, die Böhmermann nicht einmal dann ausgelöst hätte, wenn er sein Gedicht direkt im türkischen Parlament vorgetragen hätte, wird klar, wie viel entspannter heute das Verhältnis zwischen Mann und Frau und zum Körper ist.

Dass die Gleichberechtigung hier so weit fortgeschritten ist (was nicht weniger wahr wird trotz der Hürden, die noch zu nehmen sind), liegt eben auch an einem hedonistisch-freiheitlichen Fundament, auf dem die westliche Lebensweise aufbaut. Wer nun so tut, als sei gerade diese Schuld an Übergriffen wie in Köln, versucht sich in alter Killerspiel-Logik an einem leichten Gegner abzuarbeiten. Sexualisierte Werbung ist ein leichter Gegner, weil es ja stimmt, dass uns nichts fehlen würde, wenn die Frauen (und Männer, sie werden sehr langsam mehr) in expliziter Werbung etwas weniger explizit zu sehen wären. Aber darum geht es gar nicht. Wir könnten auf sehr viele Dinge verzichten, ohne dass es uns deswegen schlechter gehen würde. Na und? Was ist das für eine willkürlich-absurde Entsagungslogik?

Wenn sexualisierte Werbung wirklich dafür sorgen würde, dass Männer gegenüber Frauen übergriffiger werden, müsste das im Umkehrschluss bedeuten, dass in besonders „sittsamen“ Ländern die Frauen das große Los gezogen haben. Das kann man jetzt beispielsweise für den Iran oder für Saudi-Arabien wirklich nur behaupten, wenn man Argumente für die eigene Entmündigung sammeln will.

Sexualisierte Werbung sorgt nicht für mehr Übergriffe. Man kann natürlich trotzdem gegen sie sein, so wie man gegen alles sein kann. Und man kann sich fragen, ob so eine Art von Werbung wirklich sein muss. Aber dieser Art Werbung eine Mitverantwortung für die Silvesterübergriffe zu geben, ist ganz offensichtlich falsch. Und wer diesen Bezug trotzdem herstellt, als Politiker oder Lobbygruppe, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die Opfer für seine eigene politische Agenda zu missbrauchen.

Ansonsten ist diese Tugendwächter-Kampagne auch deswegen abzulehnen, weil eine Gesellschaft von sich aus Lösungen entwickeln kann. Wenn ein Unternehmen auf plumpe Art mit nackter Haut wirbt, gibt es nämlich eine ganz wunderbare Möglichkeit für mündige Bürger, ihr Missfallen auszudrücken: anderswo einkaufen!

Schade, dass Heiko Maas als Politiker nicht so souverän auftritt, wie als Herzensbrecher auf dem Berliner Promiparkett. Seine Auftritte mit „der Neuen“ meistert er jedenfalls sehr lässig. Wie gesagt, er ist so ein wenig ein Mehrzweckhallen-James Bond. Aber das ist ja auch immer noch was. Mal sehen, was er nach seiner Politikerlaufbahn macht. Die Tür zur Filmwelt ist ja nun offen, dank der neuen Frau an seiner Seite.

Gideon Böss hat gerade sein Buch “Deutschland, deine Götter” fertiggestellt. Wofür er ein Jahr lang zwischen Nordsee und Alpen unterwegs war, um Kirchen, Tempel und Hexenhäuser zu besuchen. - Der Beitrag von Gideon Böss erschien zuerst in der „Welt“, hier.

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