04.04.2016
| Politik | 1 |

Klima-Häresie bald als Gedankenverbrechen strafbar?

Klima-Häresie bald als Gedankenverbrechen strafbar?
Das US-Justizministerin will Klimaskepsis unter Strafe stellen. Was würde so etwas für uns bedeuten? Von Ulli Kulke

Der politische Wind wird härter. Bei uns, aber auch in den USA. Die Sprüche, mit denen der Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner, Donald Trump, derzeit die Medien der Welt unterhält, sind bisweilen nur schwer zu ertragen. Andererseits sitzen in der demokratisch geführten Regierung Obama offenbar auch Politiker, die eben mal die Verfassung aushebeln und das Recht auf freie Meinungsäußerung dort in Frage stellen wollen, wo es ihnen nicht passt, gerade so als wären sie Patenkinder von Recep Erdogan.

Justizministerin Loretta Lynch, ausgerechnet, hat jetzt vor dem Justizausschuss des Senats bekannt gegeben, dass sie in ihrem Haus eine denkwürdige Prüfung in Gang gebracht hat. Sie will allen Ernstes feststellen lassen, inwieweit es möglich ist, Personen, die den menschengemachten Klimawandel in Frage stellen, strafrechtlich zu verfolgen. Dass sie so weit gehen wollte, wie jener etwas versponnene österreichische Kunstprofessor, der solche Leute gleich alle erschießen oder aufhängen lassen wollte, hat sie nicht gesagt. Sie ist mit ihrer Idee aber sogar beim FBI vorstellig geworden, und hat angefragt, ob sie von dort eventuell Unterstützung erhalten könnte.

Das Justizministerium als Wahrheitsministerium für wissenschaftliche Auslegungen, und das FBI als ausführendes Organ der Behörde. Eine gespenstische Vorstellung. Da ist die Demokratin Lynch vom Republikaner Trump so weit entfernt nicht mehr. Noch gespenstischer wird für uns Mitteleuropäer diese Vorstellung angesichts der Erfahrungen damit, wie schnell solche Ideen sich im Anschluss auch bei uns breit machen könnten.

Da tun sich natürlich eine Menge Fragen auf. Zum Beispiel, ob der Weltklimarat IPCC dann in den USA, wenn auch nicht mit einem Bein, so doch zu fünf Prozent schon im Knast säße, weil er in seinem letzten Sachstandsbericht immerhin eine fünfprozentige Wahrscheinlichkeit dafür zulässt, dass der Klimawandel nicht menschengemacht ist. Und, die – sowieso äußerst abenteuerliche – Behauptung, 97 Prozent aller Klimaforscher seien sich „einig“, bedeutet mit anderen Worten, dass in den USA drei restliche Prozent demnächst aus ihrer Vorlesung oder von Ihren Rechnern abgeholt werden und in den Knast wandern. Oder?

Abenteuerlich ist die Behauptung mit den 97 Prozent ja deshalb, weil auch diesseits der Grenze zu den restlichen drei Prozent sich die Forschung keineswegs einig sind. Zum Beispiel bei der zentralen Frage, wie hoch die Klimasensitivität des Kohlendioxid ist, also wie sehr die Temperatur vom steigenden Gehalt des CO2 überhaupt beeinflusst wird. Da sind es beileibe nicht nur drei Prozent, die die Meinung des IPCC schlicht abstreiten, eine Verdoppelung des CO2-Gehaltes in der Atmosphäre würde eine globale Temperaturerhöhung zwischen 1,5 und 4,5 Grad Celsius bewirken. Es ist in dem Zusammenhang auch nicht ganz unwesentlich, dass der Weltklimarat in seinem letzten Sachstandsbericht seine Einschätzung gegenüber dem vorherigen Bericht im Durchschnitt sogar leicht nach unten korrigiert hat. Ein Fußbreit näher also am Knast, der IPCC?

Wo also ist die Grenze, ab der der Zweifel justiziabel, strafbar wird? Alles absurde Überlegungen? Stimmt, aber das zeigt uns nur, dass die Einteilung der Menschen in klimatisch gut und böse, wie er stets immer so schematisch von den Medien, von den Parteien, von den Umweltverbänden und infolgedessen auch von den Kneipenrunden und Frühstückstischen vorgenommen wird, unhaltbar, um nicht zu sagen, schwachsinnig ist. Es kommt eben immer noch darauf an, 1.) wie sehr Kohlendioxid und andere in Weltuntergangsverdacht stehenden Gase die Erwärmung vorantreiben, und 2.) wie schnell und wie rücksichtlos gegenüber anderen Zielen ein totaler Umbau der globalen Energieversorgung nötig ist. Und, für uns Deutsche, auch noch ein wenig darauf: 3.) wie sehr wir meinen, allen anderen dabei voranmarschieren zu müssen und der Welt zu zeigen, wo es lang geht.

Wenn es schon darum geht, jemand zur Verantwortung zu ziehen, dann gäbe es mindestens genauso gute Gründe, bei denen einzuschreiten, die den sofortigen Ausstieg aus jeder konventionellen Energie propagieren und damit ökonomisch über Leichen zu gehen. So oder so kann es aber nicht angehen, Meinungen unter Strafe zu stellen. Man darf nur hoffen, dass die amerikanische Justizministerin zur Besinnung kommt oder gebracht wird.

Es bleibt also dabei, wir werden uns weiter streiten müssen.

Sollte Loretta Lynch oder ihre Nachfolge sich mit jenem Vorschlag durchsetzen, so würde ich mal schätzen, dass auch hierzulande Stimmen laut würden, es den Amerikanern gleich zu tun. Ob so etwas bei uns dann gleich Grund sein könnte für einen weiteren Antrag auf das Verbot einer Partei – der AfD nämlich? Immerhin: Wenn jetzt, Ende April beim Parteitag, die Sätze durchkommen, die im Entwurf für das neue Programm stehen, genauer gesagt, im „Leitantrag der Bundesprogrammkommission“, (ab S. 68) so wie er von der Internet-Plattform „Correctiv“ an die Öffentlichkeit gebracht wurde, dann wäre dies wohl in obigem Sinne einschlägig (immer vorausgesetzt, das zitierte Papier von „Correctiv“ ist „korrekt“).

Die Programmkommission scheint hier ihrerseits jegliches Abwägen abzulehnen, und das ist genauso zweifelhaft wie unsere derzeitige Hardcore-Energiepolitik. Kohlendioxid wird dort lediglich als erwünscht dargestellt, weil es das Pflanzenwachstum fördert. Jeglicher Grund für eine CO2-Minderung abgestritten. Es ist aber beachtlich, wie kompromisslos hier im AfD-Entwurf jeglicher Zusammenhang in Abrede gestellt wird, und der – durchaus ja zweifelhaften – Sicherheit des IPCC die eigene Sicherheit fürs Gegenteil postuliert wird.

Und das ohne Not, kann man ja hinzufügen. Die AfD hätte die Chance (gehabt?), die sichtlichen Defizite der herrschenden Klimalehre, sowohl was den wissenschaftlichen Sachstand angeht als auch die daraus folgenden Maßnahmen, zur Grundlage für ihre Energiepolitik zu machen: Einen vernünftigen, weil um Äonen gemäßigteren Umbau anzupeilen, der in dem Bereich ja auch unabhängig vom Klima irgendwann ansteht. Ohne den Windrad-Wahn, ohne den aufgeblasenen und deshalb wirtschaftsfeindlichen Solar-Hype, ohne die Abzocke der Stromkunden, bei gleichzeitigem massiven Ausbau der Forschung natürlich. Sie hätte sich damit der Zustimmung der vielen „Skeptiker“ auch in den Kreisen der Wissenschaft und Intellektuellen sicher sein können, hätte dabei nicht einmal die wahren „Leugner“ verprellt, weil sie mit so einem Kurs in der heutigen Parteienlandschaft ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal aufwiese. So allerdings, wie das Parteiprogramm derzeit angelegt ist, wird sie jedenfalls in diesem Punkt ausschließlich den Beifall von Sektierern erhalten, viele andere genau deshalb aber verprellen. Ohne Not. Mutig, mutig, könnte man da sagen, aber voraussichtlich erfolglos.

Verbieten muss man sie deshalb noch lange nicht. Und die Autoren der Programmkommission auch nicht vor Gericht zerren, auch wenn US-Justizministerin Loretta Lynch so etwas ähnliches vorschweben mag.

Dieser Artikel ist zuerst auf Ulli Kulkes Blog Donner und Doria erschienen.