Donnerstag, 28. März 2024

23.03.2016
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Nach Brüssel: Wir brauchen mehr Offenheit und mehr Freiheit!

Nach Brüssel: Wir brauchen mehr Offenheit und mehr Freiheit!
Der Terror hat nur Erfolg, wenn Menschen sich wie Dominosteine verhalten. Matthias Heitmann tanzt aus der Reihe.

Die Anschläge von Brüssel machen mich wütend – wütend angesichts einer solch abgrundtiefen und gleichzeitig so berechenbaren und armseligen Menschenverachtung. Aber gerade deswegen will ich mindestens genauso offen und frei und auch wut- und hassfrei weiterleben wie bisher – ganz so, als gäbe es diese Terroristen gar nicht. Wenn die nämlich irgendetwas nicht ertragen können, dann, wenn man ihnen die Aufmerksamkeit verwehrt, für die sie bereit sind, unschuldige Menschen umzubringen. Schenkt man diesen Aufmerksamkeitsjunkies aber, was sie wollen, so verleiht man ihren Morden einen Sinn.

So selbstverständlich und ehrlich mein Mitgefühl mit den Opfern und Angehörigen ist, so gleichgültig stehe ich den Tätern gegenüber. Sie interessieren mich kein Stück. Es ist mir völlig egal, wie sie heißen, ob sie eine schwere Kindheit hatten, ob sie ausgegrenzt, gehänselt oder geschlagen wurden, ob sie zu viele oder zu wenige oder die falschen Bücher gelesen haben, ob ihre Eltern arm, reich, gut integriert oder strenggläubig waren, ob sie in ihrem Viertel wider Willen in falsche Kreise gerutscht sind. Mich interessiert nicht, ob sie früher ungläubig waren und sich heute für gläubig halten, ob sie Muslime, Buddhisten oder einfach nur nihilistische Arschlöcher sind, die einen heiligen Anlass suchen, um sich selbst einen Wert zu verleihen. Solche Menschen sind mir egal, denn sie haben keinerlei Bedeutung, die es wert wäre, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Eine solche Auseinandersetzung macht auch deswegen keinen Sinn, weil es keine logischen, rationalen oder „nachvollziehbaren“ Ursachen gibt, die terroristisches Handeln verständlich machen oder aber die individuelle Verantwortung des Einzelnen auch nur um einen Hauch schmälern würden. Jemand, der einfach so Zivilisten umbringt und dies mit dem US-Imperialismus, dem Handeln der Großmächte in Syrien oder mit jahrhundertealter und religiöser Unterdrückung oder sonstigen Pseudo-Rechtfertigungen verbindet, beschmutzt all jene, die in der Vergangenheit für Freiheit und Menschlichkeit eingetreten sind. Es geht dem nihilistischen Terroristen nicht um Rache, sondern nur um sein eigenes Ego, um seine eigene kranke Identität.

Terroristen ziehen ihre Energie einzig aus unserer Aufgeregtheit und aus unserer Verängstigung. Das Meucheln von Unbeteiligten bringt ihnen erst einmal gar nichts, zumal sie in der Regel selbst dabei das Zeitliche segnen. Der Terror wird nur dann zum Erfolg, wenn er Kettenreaktionen auslösen kann. Das kann er aber nur, wenn die Menschen sich wie Dominosteine verhalten. Daher verabscheuen Terroristen nichts mehr als unsere Freiheit, unsere Gelassenheit und die daraus entstehende Gefahr, dass wir uns möglicherweise anders verhalten, als sie es erwarten.

Wenn wir Terroristen das Handwerk legen wollen, macht es keinen Sinn, ihren Rechtfertigungen Gehör zu schenken, denn auch das löst den gewollten Dominoeffekt aus. Wer Barbaren für Gläubige oder für anderweitig nachvollziehbar Motivierte hält, lässt sich von der terroristischen menschenverachtenden Denkweise einlullen, geht ihr auf den Leim und zerstört so die eigene menschliche Zivilisation. Diesen Gefallen sollten wir ihnen nicht tun, denn dann wären sie am Ziel.

Wir können Terroristen den größten Schaden dann zufügen, wenn wir ihnen all das, was sie von uns wollen, gezielt verweigern. Also: keine Panik, kein blinder Hass, keine pauschalen Schuldzuweisungen, kein wildes Draufhauen, kein Interesse für Motive und Hintergründe, aber auch kein Selbstzweifel und keine Kompromisse. Wir können Terroristen nicht wirklich daran hindern, Anschläge zu verüben. Was wir aber verhindern können ist, uns von ihren Taten beeindrucken und terrorisieren zu lassen. Wenn wir auf Terror ängstlich reagieren, so geben wir Terroristen die Zügel in der Hand. Diesen Spieß können wir herumdrehen: Wir können jeden einzelnen Terrorakt zum Anlass nehmen, noch stärker, noch offener und noch freier zu werden! Und wir sollten ungerührt und uneingeschränkt an dem festhalten, was Terroristen am meisten hassen: an unserer Freiheit!

Zum Tangotanzen braucht man immer zwei. Für den Terror gilt dasselbe: Es gibt keinen Terroristen ohne Terrorisierte. Es gibt nur Attentäter – und Menschen, die sich von diesen terrorisieren lassen, oder eben nicht. Wenn wir ihnen diese Gefolgschaft verweigern, zerfällt das terroristische Geschäftsmodell zu Staub. Das ist nicht leicht, denn selbstverständlich gehören auch Trauer und Wut angesichts sinnloser Opfer zu unserer Menschlichkeit. Diese zu zeigen, ist nur zu verständlich. Aber wenn wir glauben, dem Mangel an Menschlichkeit dadurch begegnen zu können, dass wir unsere eigene Menschlichkeit korrumpieren, dann werden wir den Krieg gegen den Terror verlieren.

Gleichzeitig sollten wir aber auch nicht bei uns selbst nach Ursachen dafür suchen, warum kranke Seelen meinen, die Welt durch Massenmord zum Positiven verändern zu können. Wenn wir dies tun, senken wir unser eigenes Niveau auf das der Terroristen. Angesichts der menschlichen Abgründe, mit denen uns der Terror konfrontiert, gibt es kein deutlicheres Zeichen, als das eigene Zivilisationsniveau zu erhöhen. Und das heißt: Mehr Offenheit, mehr Freiheit, mehr Mut, mehr Selbstbestimmung, weniger Grenzendenken, weniger Angst, weniger Bevormundung. Fuck terrorism - love freedom!

Matthias Heitmann ist freier Publizist, Redakteur der BFT Bürgerzeitung und Autor des Buches „Zeitgeisterjagd. Auf Safari durch das Dickicht des modernen politischen Denkens“ (TvR Medienverlag, Jena 2015). Seine Website findet sich unter www.zeitgeisterjagd.de.

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