Donnerstag, 25. April 2024

19.03.2015
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Wahlen in Israel: Das Unbehagen des Westens

Netanjahu_Wahl
Der knappe Wahlsieg des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vom 17. März 2015 scheint vielen Politikern im Westen nicht zu schmecken. US-Präsident Barack Obama hat es bisher vermieden, dem Wahlsieger zu gratulieren, wie es ansonsten unter demokratischen Staaten üblich ist. Der Grund für diesen gewollten Affront: Netanjahu hatte kürzlich in einer Rede vor dem US-Kongress und auf Einladung des republikanischen Sprechers des Repräsentantenhauses John Boehner die US-amerikanischen Atomverhandlungen mit dem Iran heftig kritisiert. In Washington hatte man große Hoffnungen auf Netanjahus Herausforderer Isaac Herzog gesetzt – was sich nun als Fehleinschätzung herausstellte.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wartete bis heute Vormittag, um Netanjahu in einem Telefonat zu seinem Wahlsieg zu gratulieren – allerdings natürlich nicht, ohne den Ministerpräsidenten erneut darauf hinzuweisen, dass „die Sicherheit Israels am besten im Rahmen einer Zweistaatenlösung gewährleistet“ werden könne. Genau dies hatte Netanjahu im Schlussspurt des Wahlkampfes mit Blick auf die Entwicklungen in Gaza und die Politik der dort regierenden Hamas infrage gestellt.

Schroffer reagierten Vertreter der SPD auf den Ausgang der Wahlen in der einzigen Demokratie des Nahen Ostens. "Sollte Netanjahu erneut Ministerpräsident in einer rechten Koalitionsregierung sein, befürchte ich, dass eine Friedensregelung mit der palästinensischen Regierung weiterhin ausbleiben wird und die ohnehin besorgniserregende Situation sich weiter verschärfen könnte“, ließ sich SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich zitieren. Für den außenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion Niels Annen bedeutet der Sieg des amtierenden Ministerpräsidenten „wenig Gutes“ für den Friedensprozess.

Als Bürger eines demokratischen Staates mag man sich verwundert die Augen reiben, wie hiesige Politiker die Ministerpräsidentenwahl eines demokratischen und noch dazu „eng befreundeten“ Staates meinen kommentieren zu müssen – noch dazu dann, wenn es sich um Israel handelt. Anstatt den Bürgern Israels – zu ihnen gehören auch viele Araber, sie machen insgesamt ca. 20 Prozent der israelischen Gesamtbevölkerung aus – zuzutrauen, eine politische Entscheidung zu treffen, die nicht gleich wieder von wohlmeinenden Ratschlägen westlicher Repräsentanten mit erhobenen Zeigefingern zu bewerten ist, wendeten sich große Teile der sich als aufgeklärt und demokratisch gerierenden deutschen Öffentlichkeit dem Schicksal der Palästinenser zu, die nun weiter unter der unnachgiebigen Haltung Netanjahus zu leiden hätten.

Doch auch die Israelis habe er mit seiner Verteufelung der Palästinenser manipuliert, ist zu Netanjahu zu hören. Dessen "unwürdiges Spiel mit der Angst hat ihm auf den letzten Metern dann doch noch zum Wahlerfolg verholfen“ sagt etwa Stefan Liebich, Obmann der Fraktion DIE LINKE im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Was hier als Kritik einer bestimmten Politik vorgetragen wird, ist in Wahrheit nicht anderes als eine lupenreine Wählerbeschimpfung aus der Ferne.

Lauscht man Aussagen wie diesen, so scheint es, als seien die nicht eben wegen ihrer demokratischen und zivilen Strukturen bekannten Palästinenser die ersten und moralisch überlegenen Ansprechpartner, wenn es um den Frieden im Nahen Osten geht, während Netanjahu hingegen wie ein demokratiefeindlicher Kriegstreiber erscheint. Man muss kein Parteifreund von Benjamin Netanjahu sein, um sich über ein paar Fakten zum Staat Israel klar zu werden sowie angesichts des um sich greifenden Israel-Bashings auf ein paar wenige demokratische Gepflogenheiten Rücksicht zu besinnen, als da wären:

  1. Israel ist das einzige Land im Nahen Osten, das Bürgern jedes Glaubens Religionsfreiheit zugesteht. 20 Prozent der Israelis sind nicht jüdischen Glaubens.
  2. Während Juden in vielen arabischen Ländern nicht leben dürfen, genießen Araber in Israel volle Bürgerrechte und auch das Wahlrecht. Die Vereinte Arabische Liste stellt in der kommenden Knesset mit 14 Sitzen die drittgrößte Gruppierung.
  3. Ob sie einem persönlich gefallen oder nicht: Die Ergebnisse demokratischer Wahlen sind zu akzeptieren. Wer von Manipulationen des Wählerwillens spricht, ohne hierfür Beweise vorzulegen, stellt die Autonomie und Entscheidungsfähigkeit des demokratischen Souveräns infrage und handelt demokratiefeindlich.
  4. Als demokratisch gewählter Politiker oder Bürger sollte man sich gut überlegen, auf welcher Seite man sich in einem Konflikt zwischen einem demokratischen Land und einer zum Teil von einer Terrororganisation beherrschten staatsähnlichen Entität engagiert.
  5. Militärische Unterlegenheit geht nicht immer mit moralischer Überlegenheit einher. Und militärische Überlegenheit gegenüber erklärten Feinden der Demokratie ist nicht gleichbedeutend mit Ungerechtigkeit und Unterdrückung.
  6. Insbesondere im deutschen Verhältnis zu Israel sollte zwischen politischer Kritik und Antisemitismus unterschieden werden: Jede Kritik an Israel, die man bei sich selbst nicht gelten ließe, steht unter dringendem Antisemitismusverdacht.

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