Donnerstag, 28. März 2024

05.06.2015
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Ulli Kulke: Klimawandel - Die Weltuntergangsstimmung wird wieder angeheizt

Ulli Kulke: Klimawandel - Die Weltuntergangsstimmung wird wi...
Es geht wieder los. Das Klima und sein Wandel stehen auf der internationalen Agenda. Mal wieder in Deutschland. „Klima is coming home“, könnte man in Abwandlung eines bekannten Fußball-Gesangs der Engländer feststellen. In Bonn beraten Experten, beim G7-Gipfel im bayerischen Elmau berät die Politik. Alles im Vorfeld auf den großen Klimagipfel in Paris Ende des Jahres, der den großen Durchbruch für ein neues internationales verbindliches Abkommen über die Verringerung des CO2-Ausstoßes bringen soll (und nebenbei einen großen Topf zur globalen Umverteilung).

Da ist es bemerkenswert, dass nur zwei Tage vor dem G7-Treffen sich mit einem Paukenschlag ein Institut zu Wort meldet, dessen Mitarbeiter in der Vergangenheit nicht selten mit düsteren Prognosen über das Weltklima auf sich aufmerksam machten, die staatliche NOAA aus den USA (National Oceanic and Atmospheric Administration). Sie wollen jetzt festgestellt haben, dass der Stillstand, in den die globale Erwärmung seit Beginn dieses Jahrhunderts übergegangen ist, und der viele Wissenschaftler vor Rätsel stellte, gar nicht eingetreten sei. Dies hätte eine Neubewertung der Messdaten, die die NOAA vorgenommen habe, ergeben. Ist damit eines der Hauptargumente derjenigen, die die bevorstehende große Klimakatastrophe anzweifeln, eingestürzt, und das auch noch exakt zur passenden Minute?

Es wäre nicht das erste Mal, dass unmittelbar vor anstehenden Großereignissen in der Klimaagenda Wissenschaftler mit neuen, schlimmeren Prognosen an die Öffentlichkeit gehen. So kam beispielsweise nur wenige Tage vor dem Klimagipfel 2012 in Doha ein führender deutscher Klimaforscher mit äußerst alarmistischen Neuigkeiten über den Meeresspiegelanstieg heraus, die sich allerdings schnell als zweifelhaft herausstellten. Nun zieht sich der Prüfungsprozess („peer review“) bei wissenschaftlichen Zeitschriften über eine längere Zeit hin, und die NOAA-Wissenschaftler haben ihre neuen Erkenntnisse in dem angesehenen Fachblatt Science veröffentlicht. Insofern wären eine längere Vorbereitung und genaue Absprachen der Beteiligten nötig gewesen, hätte man da terminlich eine Punktlandung hinlegen wollen. Doch so oder so: Der Zeitpunkt der Veröffentlichung kann nicht gerade dazu dienen, den Vorwurf an bestimmte Klimaforscher, unstandesgemäß selbst Politik betreiben, ja agitieren zu wollen, zu entkräften.

Der vermeintliche Coup der NOAA wirft eine Reihe von Fragen auf. Er macht zum einen deutlich, wie weit entfernt die eigentlichen, ursprünglichen Messdaten von ihrer Interpretation in den Zeitreihen des Klimawandels sind. Die Temperaturen werden von den jeweiligen Instituten vielfach bearbeitet, gewichtet, angepasst, geglättet bevor sie daraus „ihren“ globalen Durchschnitt ableiten. Für Außenstehende ist dies nicht ohne weiteres nachzuvollziehen, und die NOAA scheint auch keinen Wert darauf zu legen, dass dies anders würde. Als vor ein paar Monaten externe Wissenschaftler die Rohdaten der NOAA einsehen wollten, um die Bearbeitung nachzuvollziehen, wurde ihnen ein prohibitiver Preis von einer Viertelmillion Dollar für die Überlassung genannt, ohne dass diese Höhe nachvollziehbar gerechtfertigt wurde. Der Fall erinnert daran, dass in Emails angesehener Klimaforscher untereinander, die im Jahr 2009 im Zuge des „Climategate“-Skandals durch Hacker veröffentlicht wurden, sich einige von ihnen damit brüsteten, ihre Daten auf keinen Fall an Kritiker herauszugeben. Vor dem Hintergrund, dass es sich um öffentlich finanzierte Arbeiten handelt, ein zweifelhaftes Verhalten.

Die Korrektur in den NOAA-Daten zeigt auch: Die Temperaturreihen sind insgesamt mit Vorsicht zu genießen, und je öfter sie rückwirkend korrigiert werden, desto beliebiger dürften sie erscheinen. Mal eben durch Uminterpretation der Messdaten von Erwärmungspause zu kompletter Fortsetzung des vorherigen Temperaturanstiegs zu gelangen, gibt zu denken. Ganz zu schweigen von den Computermodellen. Was heute stimmt, kann morgen schon falsch sein, und umgekehrt. So war es auch bei den globalen Mess-Reihen des englischen Hadley-Centers. Sie wurden im Jahr 2012 völlig neu aufgestellt. Mit einem bemerkenswerten Ergebnis: Das Jahr 1998, das bis dahin als das weltweit heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen galt, wurde 14 Jahre später rückwirkend heruntergestuft, so deutlich, dass spätere warme Jahre aus der Zwischenzeit plötzlich zu Spitzenjahren aufstiegen und die Temperaturreihen seither nicht mehr wie zuvor abfielen. Statistisch fällt bei bestimmten Instituten bislang auf, dass die Anpassungen, die Fehlerbeseitigungen, stets in eine Richtung vorgenommen wurden: hin zu noch dramatischeren Szenarien. Entwarnungen ergaben sich bei Korrekturen in keinem Fall.

Die NOAA ist nicht die Welt. Jene Temperaturdaten von Hadley, wie auch andere, zum Beispiel diejenigen der Universität von Huntsville in Alabama, USA, zeigen nach wie vor einen Stillstand der Erwärmung, jedenfalls keine signifikante Tendenz mehr nach oben oder unten. Und: Eine interessante Frage drängt sich jetzt, nach Veröffentlichung der neuen NOAA-Erkenntnisse auf: Was geschieht mit all den Theorien (auch aus dem Umfeld der NOAA selbst), die in den letzten Jahren den gemessenen Stillstand beim Anstieg der Temperaturen erklärten und in eine angeblich übergreifende, anhaltende Erwärmung einpassten, und man sich da relativ sicher gab? Jetzt, da der gemessene Stillstand getilgt ist?

Wir können davon ausgehen, dass im weiteren Vorlauf zum Gipfel von Paris die Weltuntergangsstimmung wieder angeheizt wird. Mit gehörigen Schuldzuweisungen gegen Abweichler von der reinen Lehre, die von einigen in die Politik hinein gut vernetzten Instituten wie das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung und Lobbygruppen wie Greenpeace oder Germanwatch vorgegeben wird. Wir werden wieder hören, dass sich 97 Prozent der Wissenschaftler einig seien, dass der Klimawandel stattfindet, menschengemacht ist und katastrophal über unseren Planeten kommen wird. Und dass nur ein verschwindend kleiner Rest all das leugnet, gesponsert von der Ölindustrie und anderen finsteren Mächten. In manchen Köpfen ist diese extreme Schwarz-Weiß-Malerei in einer Weise eingebrannt, dass schon die beiläufig geäußerte Bemerkung, auch die Sonne könnte womöglich etwas mit dem unsteten Geschehen in der Atmosphäre zu tun haben, die Frage provoziert, ob man etwa den Klimawandel leugnen wolle, bisweilen noch mit der Anschlussfrage, ob man auch glaube, dass die Erde eine Scheibe sei. Also unterbleibt lieber vorsorglich die Bemerkung mit der Sonne, oder auch die, dass man nicht an den Weltuntergang glaube. Der Korpsgeist im Wissenschaftsbetrieb, bei dem es um viel Geld geht, trägt nicht gerade dazu bei, dass kritische Ansätze in der Forschung Raum bekomme, wie Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin kürzlich in einem Spiegel-Interview anmerkte (Auszüge daraus hier, das vollständige Interview ist nicht im Netz).

Man kann offenbar nicht oft genug darauf hinweisen: Es gibt so gut wie niemand im Diskurs, der den Wandel des Klimas als solchen leugnet oder ihn auch nur skeptisch sieht. Der Begriff Klimaskeptiker oder –leugner ist deshalb absurd. Die Frage ist aber zum Beispiel, ob die Erderwärmung, die bis zum Millennium anhielt, wirklich so exorbitant anders verlief als weiter zurückliegende Erwärmungsphasen. Angesichts dessen, dass etwa Phil Jones, der ansonsten zu den apokalyptischen Reitern der Klimakatastrophe zählt, selbst einräumen musste, dass der Klimawandel in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert durchaus vergleichbar ist mit früheren Perioden, ist es schon befremdlich, dass jeder aus den Reihen der kritischen Geister, der dasselbe behauptet, ins Abseits gestellt wird.

Seit dem Krieg gab es meiner Erinnerung nach im Westen keinen Topos, bei dem gesellschaftlich tonangebende Bereiche aus der Wissenschaft eine derartige Einigkeit, ja Eindimensionalität propagieren und sie auch von allen anderen mit scharfen Tönen einfordern, im Osten mit dem “Wissenschaftlichen Sozialismus” sehr wohl. Kritik ist verpönt wie in Einparteiendiktaturen. Laden Unionsabgeordnete im Bundestag Wissenschaftler in ihr Büro, die sich dem Korpsgeist entziehen, so müssen sie schon fast mit einem Untersuchungsausschuss rechnen. Parlamentarische Anfragen der Opposition jedenfalls sind ihnen gewiss.

Die 97-Prozent-Behauptung ist nicht nur aufgrund formaler Gegenargumente, die hier dargestellt werden, anzuzweifeln. Die alles entscheidende Frage ist doch: Worüber sollen sich die 97 Prozent denn einig sein? Dass der Mensch einen Beitrag zum Klimawandel leistet? Diese Aussage ist lächerlich, sie sagt nichts aus. Entscheidend ist doch das Ausmaß des anthropogenen Einflusses, die „Klimasensitivität“ des CO2-Ausstoßes. Und in dieser Frage sind sich jene 97 Prozent mitnichten einig. Genau dieser Punkt aber ist entscheidend bei der Antwort auf die Frage, ob wir sofort jeden Ausstoß beenden müssen, aus Angst, morgen schon eines Hitzetodes zu sterben, und dabei jegliches Maß verlieren und deshalb unsere wirtschaftliche – und im Anschluss daran übrigens auch umweltpolitische – Manövrierfähigkeit aufs Spiel setzen. Oder ob wir noch abwägen dürfen, vor allem noch technisch forschen, um erneuerbare Energien anders als in der heutigen Praxis bei uns in Deutschland dann einsetzen zu können, wenn sie nicht mehr wie heute unseren Kulturraum zerstören, den Artenschutz gefährden, dem „kleinen Mann“ das Geld aus der Tasche ziehen und einen staatlichen Dirigismus mit sich bringen, der an unsägliche, eigentlich überwundene Epochen erinnert. Es gibt keinen Grund dafür, und es spielt im Klimageschehen auch keine Rolle, wenn die Deutschen meinen, sie müssen sich als Klima-Rekordweltmeister komplett vom Rest der Welt abkoppeln.

Man darf hoffen, dass in der Diskussion bis zum Klimagipfel in Paris die Devise „Vive la différence“ wieder zur Geltung kommt.

Ulli Kulkes Beitrag zum wissenschaftlichen Korpsgeist und „Faktenkorrekturen“ zum Klimawandel erschien zuerst auf „Donner und Doria“, hier.


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