Donnerstag, 18. April 2024

04.05.2015
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Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai: Freiheit beginnt im eigenen Kopf - dort muss sie auch zuerst verteidigt werden!

Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai: Freihe...
Die Pressefreiheit ist doppelt gefährdet: Während der Druck von außen kontinuierlich zunimmt, schwindet im Inneren der Medienwelt die Bereitschaft, sie auf Biegen und Brechen zu verteidigen. Von Matthias Heitmann

Seit 1994 gilt der 3. Mai als „Welttag der Pressefreiheit“. An ihm soll auf Verletzungen der Pressefreiheit weltweit sowie auf die grundlegende Bedeutung freier Berichterstattung für die Existenz von Demokratien aufmerksam gemacht werden. Seit 1997 wird an diesem Tag der UNESCO/Guillermo Cano World Press Freedom Prize im Gedenken an den 1986 ermordeten Herausgeber der kolumbianischen Zeitung „El Espectador“, Guillermo Cano Isaza, verliehen.

Druck von außen
Dass Pressefreiheit auch heute stark unter Beschuss steht, daran besteht kein Zweifel. Nach Angaben der Organisation „Freedom House“ haben sich die Bedingungen für kritische Berichterstattung haben sich im vergangenen Jahr weltweit enorm verschlechtert. Die Pressefreiheit befinde sich auf ihrem niedrigsten Stand in den vergangenen Jahren, Journalisten gerieten von allen Seiten unter Druck, gerade auch von staatlicher Seite, von Milizen, Kriminellen und neuen Medieneigentümern. „Regierungen haben Sicherheits- und Anti-Terror-Gesetze als Vorwand verwendet, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen“, erklärt die für den Freedom-House-Jahresbericht 2015 zuständige Projektmanagerin Jennifer Dunham.

Dem Report zufolge kann man nur noch in einem knappen Drittel aller Staaten der Welt von einer freien Presse sprechen. Zu den Ländern mit den schlechtesten Werten gehören Weißrussland, die erstmals gesondert aufgeführte Krim, Kuba, Iran, Nordkorea, Syrien und Usbekistan. Am stärksten gefestigt gilt gemeinhin die Pressefreiheit in Europa, jedoch haben sich auch hier die Werte deutlich verschlechtert. Dem aktuellen Bericht des Europarates folgend steht die Pressefreiheit in Europa enorm unter Druck: Journalisten sähen sich physischen Bedrohungen ausgesetzt, und immer häufiger würden Anti-Terror-Gesetze dazu genutzt, die Rede- und Pressefreiheit zu beschränken.

Einseitige Bilder
Eine weitere existenzielle Gefährdung der Pressefreiheit wird jedoch in diesen Jahresberichten und Stellungnahmen anlässlich des Tages der Pressefreiheit nur sehr selten thematisiert: Es ist die Bedrohung der Rede- und Medienfreiheit aus den Medien heraus. Damit ist nicht die sicherlich auch sehr problematische wirtschaftliche Situation vieler Medienunternehmen gemeint, die zunehmende Konzentration von Medienmacht in wenigen Unternehmen und Verlagshäusern oder aber die Zusammenlegung von Redaktionen und das Verschwinden von Medienprodukten. Gemeint ist die Schere im Kopf vieler Journalisten.

Es ist naheliegend, sich angesichts der äußerlichen Bedrohungen der Pressefreiheit und angesichts drastischer rechtlicher und politischer Maßnahmen von Regierungen auf eben diese Gefahrenquellen zu konzentrieren. Doch ein zu starker Fokus darauf führt dazu, medieninterne Trends aus dem Blick zu verlieren. Und gerade hier geschieht Bemerkenswertes: So kann man in den letzten Monaten in Europa feststellen, dass insbesondere in den Medien selbst die Zweifel an der eigenen Forderung nach Pressefreiheit zunehmen. Die Reaktionen auf den Terroranschlag auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ von Anfang des Jahres zeigten eine zunehmende Ambivalenz gegenüber dem von dem Magazin reklamierten Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit - und dies nicht nur in der breiten Öffentlichkeit, sondern auch innerhalb der Medienwelt.

Angst ist die größte Gefahr der Freiheit
Viele Medien zögerten, sich offen solidarisch mit den ermordeten Satirikern zu zeigen, da man entweder selbst Racheakte fürchtete oder aber sich nicht zu 100% mit der „völligen Pressefreiheit“ solidarisieren wollte. Auch die jüngste Entwicklung, dass eine wachsende Zahl von Journalisten und anderen Medienschaffenden zu Distanz auf Charlie Hebdo gehen, offenbart, dass Redefreiheit auch in Medienkreisen nicht mehr als absolutes Recht eingefordert wird (BFT Bürgerzeitung berichtete).

Für die Pressefreiheit bedeutet das nichts Gutes. Sie ist einer doppelten Gefahr ausgesetzt: Während der Druck von außen kontinuierlich zunimmt, schwindet im Inneren der Medienwelt zunehmend die Bereitschaft, die Pressefreiheit auf Biegen und Brechen zu verteidigen. Diese mangelnde Bereitschaft ist nicht mit der wirtschaftlichen Situation zu erklären; die Angst, für Freiheit einzustehen, ist weitaus größer als die Angst, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren.

Welche Gründe gibt es für die zunehmende Bereitschaft, Abstriche an der Rede- und Pressefreiheit zuzulassen? Betrachtet man die Art und Weise, in der deutsche Medien die Debatte um Meinungsfreiheit rund um den Anschlag auf „Charlie Hebdo“ führten, so wurde deutlich, dass viele Medienvertreter diese Freiheit zwar für sich in Anspruch nehmen, aber schon bei bestimmten ihrer Kollegen nur zu gern bereit sind, Freiheit unter Vorbehalte zu stellen. Sehr viel einheitlicher werden die Stimmen der großen Medien, wenn es um die Freiheit ihrer Konsumenten geht: Hier herrscht tiefgehende Skepsis.

Die Erstaatung der Medien
Otto Normalverbraucher zu vertrauen, aus der Vielzahl an Informationsquellen die richtigen Informationen zu sammeln und die richtigen politischen Schlussfolgerungen zu ziehen, ist in Journalistenkreisen ähnlich populär wie das zusammenlegen von Zeitungsredaktionen. Die Geringschätzung der Öffentlichkeit hat ein fast schon widerliches Ausmaß erreicht: Um den demokratischen „Souverän“ daran zu hindern, seine Meinung frei zu äußern, sind Politik und Medien gleichermaßen bereit, Freiheiten und Rechte unter vorbehalte zu stellen.

Das Besondere an der heutigen Situation ist: Selten zuvor war die Medienlandschaft in Deutschland so einheitlich, so konsensorientiert und gemäßigt wie heute – und dies nicht etwa aufgrund von politischem oder wirtschaftlichem Druck von außen, sondern aus dem eigenen Willen heraus, sozusagen als „Vierte Macht im Staate“ Seit an Seit mit der Politik Gestaltungsverantwortung zu übernehmen.

Natürlich sind Medien auch weiterhin häufig der Politik ein Dorn im Auge; und rein numerisch herrscht auch kein Mangel an „kritischen“ oder „investigativen“ Medienformaten. Interessant ist aber, in welcher Art dort Politik und Mächtige „gepiesackt“ werden. Ein Großteil der kritischen Berichterstattung kulminiert in Forderungen nach strikterer Kontrolle von Märkten, Freiheiten und Rechten, nach dem Austrocknen von Sümpfen oder nach dem Schließen von Schlupflöchern oder Überwachungslücken. Der Anteil an medial ins Zentrum gerückter Kritik, deren inhaltliche Forderung eine Ausweitung individueller Freiheits- und Entscheidungsrechte zur Folge hat, ist verschwindend gering.

Meinungsfreiheit ist kein journalistisches Privileg!
Zuweilen kann man den Eindruck gewinnen, das unausgesprochene Medienziel sei die vollständige Ausrottung von intransparenten, unkontrollierten oder aber vernachlässigten gesellschaftlichen Räumen oder Prozessen. Hier besteht auch kaum ein Unterschied zwischen freien und etwa öffentlich-rechtlichen Medien, die Geisteshaltung ist allgegenwärtig und erdrückend. Für das robuste Verteidigen von Pressefreiheit ist sie denkbar ungeeignet.

Um Pressefreiheit konsistent verteidigen zu können, muss man an die Freiheit glauben und daran, dass Menschen mit ihr umgehen und in ihr wachsen können. Wer diesen Glauben nicht teilen kann, dem fällt es schwer, die allgemeine Rede- und Pressefreiheit zu verteidigen; wenn überhaupt, dann verteidigt er hier sein eigenes Rederecht. Genau das ist aber mit Pressefreiheit nicht gemeint: Diese Freiheit kann sich für ein Individuum erst dann voll entfalten, wenn es sich dafür einsetzt, dass andere ebenfalls in ihren Genuss kommen. Deswegen ist die Pressefreiheit für aufgeklärte und demokratische Gesellschaften so überlebenswichtig: Sie kommt erst dann zum Tragen, wenn Menschen die Stärke haben, sie auch für Andersdenkende einzufordern und zu verteidigen.

Für Journalisten und Medienschaffende bedeutet das: Der Einsatz für Meinungs- und Pressefreiheit verlangt es, sie gerade auch für unliebsame Konkurrenten, für schlechte Kollegen und für solche zu fordern, mit denen man selbst nichts zu tun haben will. Diese Herausforderung können noch viele Journalisten mit Verweis auf das eigene Berufsethos sowie auf die herausgehobene Stellung des Journalismus meistern. Hinzukommt aber eine weitere Herausforderung: Rede- und Meinungsfreiheit begrenzt sich nicht auf die Freiheit der Sender, im Gegenteil: Ihr Herzstück ist die Freiheit der Empfänger, das zu empfangen und zur Kenntnis zu nehmen, was sie wollen. Pressefreiheit ist kein elitäres Privileg von Journalisten, sondern schließt das Lesen und Hören genauso ein wie das Reden oder Schreiben.

Dies ist auch der gute Grund, warum sich jeder Mensch journalistisch betätigen darf. Meinungsfreiheit ist eine Freiheit aller. Wenn also Medienvertreter meinen, ihre „Pressefreiheit“ ein wenig selbst eingrenzen zu können, um Konflikte zu vermeiden, dann versündigen sie sich an aufgeklärten und demokratischen Grundrechten aller Bürger. Vielleicht ist der internationale Tag der Pressefreiheit ein guter Anlass, daran zu erinnern. Bei aller dringenden Notwendigkeit, Journalisten vor Repression zu schützen und ihre Rechte zu verteidigen – im Kern des Kampfes um die Pressefreiheit muss ebenfalls stehen, sie gegen innere Zweifel sowie gegen Zynismus und Misstrauen gegenüber den Bürgern zu verteidigen. Freiheit entsteht im Kopf – dort muss sie auch zuerst verteidigt werden.

Matthias Heitmann ist freier Publizist und Redakteur der BFT Bürgerzeitung. In Kürze erscheint im TvR Medienverlag sein Buch „Zeitgeisterjagd“. Seine eigene Website findet sich unter http://www.zeitgeisterjagd.de.


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