06.06.2016
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Die Nationalmannschaft und die Nationalhymne

Die Nationalmannschaft und die Nationalhymne
Die Debatte über die Sangeslust von Fußballern ist künstlerisch wie politisch unbedeutend. Ob jemand die Hymne singt oder nicht, soll jeder für sich entscheiden. Wer dabei nichts spürt, soll es bleiben lassen. Von Gideon Böss.

Zu den ödesten Debatten rund um WM- und EM-Turniere, gehört die Frage, ob die Spieler die Nationalhymne mitsingen sollen oder nicht. Wer sich verweigert, hat nichts im Vorzeigeteam verloren, heißt es von denen, die einen Singzwang fordern. Sie schauen ganz genau hin, wenn vor dem Spiel die Hymne läuft, und die Kamera an den Gesichtern der Elf vorbeizieht. Wer singt richtig, wer bewegt nur etwas die Lippen und bei wem tut sich gar nichts im Gesicht?

Aus der Frage, ob jemand singt oder nicht, wird dabei so eine Art Instant-Patriotismustest vom heimischen Fernsehsofa aus. Und da unter den Verweigerern wiederum mehrere Spieler mit Migrationshintergrund sind, wächst sich das Ganze noch zu einer Integrationsdebatte aus.

Diese ganze Debatte ist überflüssig. Ob jemand die Hymne singt oder nicht, soll jeder für sich entscheiden. Wer dabei nichts spürt, soll es bleiben lassen. Daraus kann man erst einmal gar nichts über die Gefühle des „Stummen“ ableiten. So wie es ohnehin eine heikle Disziplin ist, messen zu wollen, wie stark nun die Gefühle eines Menschen zu seinem Land sind? Wie will man das herausfinden, was sind da die objektiven Maßstäbe? Und warum ist das wichtig – speziell, wenn es um Fußball geht?

Wenn Fußballer ihrer Gesundheit riskieren, weil sie für Deutschland spielen, haben sie damit schon ein Bekenntnis abgelegt. Und der DFB muss die Spieler auch nicht gewaltsam dazu bringen, aufzulaufen. Von daher könnte man sich doch als Faustregel merken, dass jene, die das Adler-Trikot tragen, vermutlich ganz gerne für Deutschland gegen den Ball treten.

Alles andere wäre auch ein wenig ungeschickt, denn es gibt nicht viele andere Funktionen, in denen man Deutschland prominenter vertritt, als wenn man Spieler der deutschen Nationalmannschaft ist. Bundeskanzlerin oder Bundespräsident gibt es danach vielleicht noch. Andererseits ist Özil weltweit bekannter als Gauck.

Es ist egal, ob jemand die Nationalhymne mitsingt oder nicht. Wer aber aus einer solchen persönlichen Entscheidung eines Fußballers mehr macht, als dessen persönliche Entscheidung, sollte vielleicht besser erst zum Anpfiff einschaltet, das ist besser für den Blutdruck, außerdem werden die anderen Zuschauer dann auch nicht mit verqueren politischen Theorien genervt, wenn sie einfach nur Fußball gucken wollen.

Gideon Böss ist Journalist und Autor des Buches “Deutschland, deine Götter”. Dieser Artikel ist zuerst am 4. Juni 2016 auf seinem "Die Welt"-Blog "Böss in Berlin" erschienen.