09.04.2016
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„Es ist eine flächendeckende Bevormundung in der Gesellschaft zu beobachten“

„Es ist eine flächendeckende Bevormundung in der Gesellschaf...
Heinrich Villiger über die Anti-Tabak-Politik der WHO und andere gefährliche Entwicklungen.

Heinrich Villiger ist einer der ganz Großen im globalen Tabakgeschäft. Und auch mit fast 86 Jahren erhebt der im Kanton Aargau geborene Schweizer weiterhin seine Stimme gegen die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geforderten Anti-Tabak-Gesetze, die seiner Ansicht nach nur mehr Vorschriften bringen, die Überregulierung vorantreiben, den Menschen bevormunden sowie jenseits jeder Verhältnismäßigkeit sind, wie er kürzlich in einem Interview mit Mischa Hauswirth in der Basler Zeitung ausführte.

Zur Diskussion über die Größe der Warnhinweise auf den Tabakverpackungen hat der Grandseigneur der Zigarrenindustrie eine klare Meinung: „In Kanada dürfen beispielsweise Tabakwaren nicht mehr gezeigt werden, und in Australien müssen 85 Prozent der Verpackung aus Warnhinweisen bestehen, Markenlogos sind verboten. Und wofür das Ganze? Der Effekt wird gleich null sein.“ Villiger hält die Vorschriften für eine Schikane, die sich nicht nur gegen die Industrie, sondern auch gegen die Verbraucher richtet, der offensichtlich nicht für voll genommen wird: „Der Konsument ist auch mit kleineren, gut lesbaren und genug großen Hinweisen ‚gewarnt‘. Es gehört zur persönlichen Freiheit zu entscheiden, was man mit dieser Information macht.“

Zudem hätten die Gründe, warum Menschen mit dem Rauchen begännen, nichts mit der Verpackung von Zigaretten zu tun. „Leider“, so betonte Villiger, „wird immer wieder falsch dargestellt, dass die Werbung die Jungen zum Rauchen verleitet – aber es ist der Gruppendruck. Junge wollen übers Rauchen zu den Erwachsenen und zu ihrer Gruppe gehören.“ Villiger plädiert dafür, dass die Gesellschaft weniger über Verbote reden sollte – die seien ohnehin „meistens eine schlechte Idee“ –, sondern über „Information, Prävention, Eigenverantwortung und was es bedeutet, beim Konsum Maß zu halten“.

Heinrich Villiger, der sich nie einer politischen Partei anschloss, sieht im Anti-Tabak-Feldzug der WHO nur eine Ausformung des staatlichen Regulierungswahns: „Es ist eine flächendeckende Bevormundung in der Gesellschaft zu beobachten. Bei den Produzenten von alkoholhaltigen Spirituosen beispielsweise besteht die berechtigte Sorge, dass die WHO nach dem Tabak den Alkohol ins Visier nehmen könnte. Man stelle sich das vor: Wollen wir eine Weinflasche, auf der noch ein Foto eines halbtoten Säufers abgebildet ist? Oder das einer Leberzirrhose? Es stellt sich wirklich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.“ Eine Frage, die tatsächlich in vielen Bereichen des modernen Lebens neu gestellt und beantwortet werden sollte – und wenn möglich nicht nur von Politikern, sondern von Menschen mit Bodenhaftung und einem gesunden Menschenverstand – wie eben Heinrich Villiger.

Mischa Hauswirth: „Verbote sind meistens eine schlechte Idee“, Basler Zeitung, 5.4.2016.