30.07.2015
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GIDEON BÖSS | Füttern verboten! Moslems, Juden und Christen hautnah

GIDEON BÖSS | Füttern verboten! Moslems, Juden und Christen ...
In Berlin wird für das House of One geworben, einem Ort, der Gebetsräume für Christen, Juden und Moslems beinhaltet und so ein Zeichen der Toleranz setzen soll. Dafür wird gerade zum Spenden aufgerufen. Wer will, kann für 10 Euro einen Stein zu diesem multireligiösen Bauwerk beitragen. 2018 sollen die Arbeiten beginnen und bis dahin braucht es 10 Millionen Euro. Ob die über Spenden reinkommen, darf bezweifelt werden. Im ersten Jahr der Kampagne kamen jedenfalls nur 177.000 Euro zusammen. Oder anders formuliert: 17.000 Steine.

Dabei sparen die Verantwortlichen nicht mit großen Worten. In der Präambel ist die Rede von einem „Bet- und Lehrhaus, in dem öffentlich und für jeden frei zugänglich Juden, Muslime und Christen ihre Gottesdienste feiern“. Was ein bisschen nach einem Religionszoo klingt, bei dem der Besucher die Chance hat, hautnah einen echten Christen, Moslem oder – ganz exotisch – Juden zu sehen. Füttern ist zwar verboten, aber ansprechen ausdrücklich erwünscht. Schließlich geht es um den „Dialog und Diskurs“, der auch mit der „mehrheitlich säkularen Stadtgesellschaft“ geführt werden soll.

Begeistert von der eigenen Vision, gehen in dieser Präambel PR-sprech und Pathos eine teuflische Allianz ein: „Wenn es gelingt, das je Eigene der Religionen in großer Offenheit und Öffentlichkeit zu leben, wenn es gelingt, in verschiedenen Perspektiven diesem je Eigenen und Fremden nach-zudenken und gemeinsam für andere da zu sein, wenn die Vertreter der drei Religionen so miteinander umgehen, dass nach Religion fragende und suchende Menschen es als Bereicherung wahrnehmen, hinzukommen und sie so (drei) erste Antworten hören – wenn dem so ist, dann wird Berlin an diesem seinem Urort Zukunft gewinnen und das Gute der Religionen zum Besten der Stadt erleben können.“

Zukunft gewinnen!


Zukunft gewinnen! Für solche Nonsens-Slogans geben Parteien im Wahlkampf viel Geld aus. Aber diese Sprache ist nicht das eigentliche Problem mit dem House of One. Das eigentliche Problem ist, dass das ganze Projekt ein Widerspruch in sich selbst ist. Warum sollten denn diese drei Religionen in einem gemeinsamen Haus existieren? Es ist eine sentimentale Idee, die vom Wunsch nach „es könnte so einfach sein“-Bildern angetrieben wird, auf denen Imame, Rabbiner und ein Pfarrer sich die Hand reichen und dabei lächeln. Ein Projekt, das Preise für seinen Einsatz im interreligiösen Dialog erhält und das von Politikern als „beispielhaft“ gelobt wird.

Man könnte der Meinung sein, dass in Zeiten religiöser Spannungen jedes solcher Projekte zu unterstützen ist. Aber wenn der Preis dafür der ist, den Kern monotheistischer Religionen auszublenden und ihnen eine Konsensfähigkeit zu unterstellen, die sie nicht haben, verabschiedet man sich ins Reich der Wunschvorstellungen.

Seit wann reicht es nicht mehr aus, den anderen einfach zu ignorieren?

Was soll dieses Projekt überhaupt? Ist es denn wirklich notwendig, dass sich die Mitglieder dieser drei Religionen gegenseitig bestätigen, wie viel Respekt sie den Ansichten der beiden anderen entgegenbringen? Seit wann reicht es nicht mehr aus, den anderen einfach zu ignorieren? Warum muss ihm unbedingt Respekt gezollt werden? Es ist doch egal, ob ein Jude nun die Weltsicht eines Moslems nachvollziehen kann, ein Christ die eines Juden oder ein Moslem die eines Christen. Solange beim Nichtnachvollziehen die Grenzen zur Gewalt nicht überschritten werden, ist alles in Ordnung. Der Rest der Gesellschaft bekommt das doch auch gut hin. So schwer ist das nicht.

Das Houes of One möchte ein Ort sein, an dem über Religionen diskutiert werden kann. Gleichzeitig soll es ein Ort sein, an dem keine religiösen Gefühle verletzt werden sollen. In der Präambel heißt es dazu, „dass Unterschiede und theologische Gegensätze nicht überspielt, sondern ausgehalten werden“ müssen, wobei „Handlungen, die die anderen Religionsgemeinschaften herabwürdigen oder verunglimpfen“ nicht akzeptiert werden. Schon gar nicht wenn „wissentlich falsche Behauptungen über die anderen Religionsgemeinschaften verbreitet werden.“ Was für eine absurde Sicht auf Religionen ist das? Man kann nicht drei Monotheisten in ein Haus setzen und glauben, dass sie einen kissenweichen Konsens über Gott und die Welt finden werden. Solange es nur um Smalltalk-Phrasen wie „Gott ist gütig“ geht, können sich noch alle einigen, aber umso mehr es ums Eingemachte geht, umso härter prallen die dogmatischen Gegensätze aufeinander.

Schließlich zeichnen sich Religionen dadurch aus, dass es praktisch keine harten Fakten gibt.

Ganz davon abgesehen davon, dass es eine sehr subjektive Angelegenheit ist, ab wann sich jemand verunglimpft fühlt (erfahrungsgemäß ist das jedoch sehr schnell der Fall, wenn religiöse Gefühle im Spiel sind), sind auch „wissentliche falsche Behauptungen“ über Religionen ein heikles Thema. Schließlich zeichnen sich Religionen dadurch aus, dass es praktisch keine harten Fakten gibt. Es existieren nur sehr wenige Aufzeichnungen und diese wenigen stammen von Personen, die alles andere als unparteiisch waren. Auch ist es schwer nachzuweisen, wie das jetzt genau war mit der Übergabe der Zehn Gebote, der Wiederauferstehung Jesu oder der Himmelfahrt Mohammeds. Kurzum: Um wissentlich falsche Behauptungen zu kritisieren, müsste man nachweisbar richtige Behauptungen dagegenhalten können.

Wie schwer das im theologischen Bereich ist, wird schon an der Betrachtung von Jesus klar. Für die Christen starb er am Kreuz und ist in den Himmel aufgefahren, die Moslems sehen ihn ihm nur einen mittelmäßigen Propheten und für die Juden war er einfach nur ein verrückter Jude. Jede Religion hat damit aus der Sicht der anderen eine „wissentlich falsche Behauptung“ aufgestellt, denn diese drei Jesusbilder schließen sich aus. Was tun? Hausverbot für Christen, Juden und Moslems im House of One, weil sie alle die religiösen Gefühle der anderen verletz haben?

Natürlich tun sie das, denn es handelt sich schließlich um drei verschiedene Religionen. Sie unterscheiden sich in wesentlichen Punkten, das zeichnet sie aus. Und weil sie alle die letzten Wahrheiten verkünden, liegen die beiden anderen mit ihrer Weltsicht in den entscheidenden Fragen falsch. Das ist auch kein Problem. Jeder kann über Gott und die Welt denken, was er will. Das „House of One“ versucht sich also am Brückenbauen zwischen den Religionen, ohne die Religionen ernst zu nehmen oder zu verstehen. So kann das nicht funktionieren. Offenbar sehen da auch die Mitglieder der Religionen und die „säkulare Stadtgesellschaft“ so, weswegen die Spendenbereitschaft minimal bleibt. Aber immerhin gibt es schon heute diese schönen Bilder der Gottesmänner, die sich die Hand reichen und lächeln. Wenigstens das.

Der Beitrag von Gideon Böss erschien zuerst in der Welt, hier.

Foto: Gerald