02.07.2015
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VIGNETTE | Vögeln & die Moral

VIGNETTE | Vögeln & die Moral
Manche Moralvorstellungen kommen und gehen, andere bleiben über Jahrhunderte gleich. „Du sollst nicht stehlen“, dürfte gesellschafts- und zeitübergreifend eine Konstante im gesellschaftlichen Zusammenleben sein. „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“, erübrigte sich hingegen weitgehend, seitdem die Menschen in den westlichen Ländern scharenweise aus der Kirche austraten. Und im Zuge dessen wandelte sich auch die Sexualmoral – vorehelicher Sex, Homosexualität und zeitlich wechselnde Partner gelten heute nicht mehr als „böse“. Es gilt die Devise: Erlaubt ist, was gefällt und freiwillig unter Erwachsenen passiert. Man traut den Menschen heute zu, dies für sich alleine gut entscheiden zu können. 

Apropos: Wissen Sie eigentlich, woher der Begriff „vögeln“ kommt? Im Mittelalter pflegten junge Frauen aus besserem Hause, sich Vögel im Käfig zu halten. Da Herrenbesuch vor der Ehe damals seitens der Eltern unvorstellbar war, stellten sie ihren Vogelkäfig ans Fenster, um ihrem Verehrer "Luft ist rein" zu signalisieren. Daraus entwickelte sich damals die Redewendung "Zu den Vögeln gehen". Das "zu" fiel später weg.

Endlich traut man den Menschen mehr Verantwortung für seine Sexualität zu. Aber in anderen Punkten traut man ihm immer weniger zu, vor allem, wenn es um den eigenen Körper geht. Verbraucherschutz signalisiert: Du musst geschützt werden. Vor Fett. Vor Alkohol. Vor Zigaretten. Vor Zusatzstoffen. Vor Zucker. Die Sittenwächter von früher wurden zu den Moralaposteln über die Körper heute. Man möchte rufen: Befreit euch vom Mief der neuen Tugendwächter so wie die 68-er sich von einer rigiden Sexualmoral befreiten und das Wort „Vögeln“ wieder etablierten.

Libera

Bild: CFalk/pixelio.de