Gideon Böss | Schwangere Hände Gottes

Gideon Böss | Schwangere Hände Gottes
Warum soll es das nicht geben? Ein türkischer Imam ist gerade zu einer gewissen Berühmtheit gelangt, weil er Männer vor den Gefahren der Selbstbefriedigung warnte. Die Hand könnte dabei schwanger werden und dem Gläubigen später im Paradies mitsamt dem Nachwuchs das ewige Leben schwer machen.

Es gibt ein paar theologische Kleinigkeiten, die der Imam im Zusammenhang mit der Hand noch nicht aufgeklärt hat: Ist eine Hand neun Monate schwanger? Wie sieht der Däumling aus, der dann auf die Welt kommt? Ist er ein Mensch oder nur eine Hand oder ein Hybrid? Ist er Fortpflanzungsfähig und wenn ja, was passiert, wenn er sich wiederum selbst befriedigt? Außerdem wäre auch wichtig zu erfahren, ob diese Warnung nur für Moslems gilt? Und was passiert eigentlich bei Frauen nach der Selbstbefriedigung? Da gibt es auf jeden Fall  noch weiteren Aufklärungsbedarf.

Interessant aber ist, warum eigentlich mit einem solchen Gejohle auf diese Hand-Geschichte reagiert wird? Schließlich hat kein Wissenschaftler diese Behauptung geäußert, sondern ein religiöser Würdenträger. Eigentlich sollte man meinen, dass gerade in einem christlich geprägten Land wie Deutschland mehr Verständnis für solche Überlegungen vorhanden ist. Schließlich besticht auch die christliche Theologie nicht unbedingt nur durch messerscharfe Logik. Dass eine Frau ein Kind auf die Welt bringt, das sein eigener Vater ist, klingt auch ziemlich spektakulär. (Ach so, besagte Frau ist weiterhin Jungfrau.) Warum sollte eine schwangere Hand in einem solchen Pantheon keinen Platz haben?

Ich habe damit kein Problem. Warum auch? Ich kann akzeptieren, dass es sich bei Religionen um eine Sphäre handelt, in der Falsifizierbarkeit keine Bedeutung hat. Wenn das so ist, ist nun einmal alles gleich sinnvoll, weil alles gleich absurd ist. Die Teilung des Meeres ist die Auferstehung Christi ist die schwangere Hand.

Wer speziell mit dieser Hand ein Problem hat, als ob dieses nicht einfach nur ein Ergebnis der irrationalen Denkweise hinter Religionen ist, macht es sich zu einfach. Diese Fünffinger-Geschichte mag vielleicht in seiner Absurdität besonders amüsant klingen, aber sie entspringt eben einer Gedankenwelt, die für ganze Gesellschaften das moralische (weil religiöse) Fundament bildet. Ob man das beruhigend findet oder nicht, ist noch einmal eine ganz andere Sache.

Für alle, die Interesse an schwangeren Händen haben, dürfte in diesem Fall das religiöse Eck kaum geeignet sein. Stattdessen empfiehlt es sich, den Blick lieber ins Lager der Wissenschaften schweifen zu lassen, denn in der Gentechnik dürfte es mittlerweile tatsächlich möglich sein, eine schwangere Hand zu züchten.

Der Beitrag von Gideon Böss erschien zunächst in der Welt, hier.